Notizen zum Vorkommen des Orpheusspötters in der Schweiz und im Bodenseegebiet

In der Avifauna der Schweiz (WINKLER, 1999) wird der Orpheusspötter (Hippolais polyglotta)  als ein “in Ausbreitung befindlicher Sommervogel” beschrieben, mit Verbreitungsschwerpunkten im Süden der Schweiz (Kantone Tessin, Wallis und Genf). Der Erstnachweis einer Brut gelang 1960 im Tessin, ihm folgte das Wallis (1970) und der Waadt (1983). Im Dreiländereck bei Basel zeichnete sich seit ab den 1980er Jahren ebenfalls ein regelmässiges Vorkommen ab, während aus der Ostschweiz damals nur sporadische Frühjahrsbeobachtungen vorlagen (MAUMARY et al., Die Vögel der Schweiz, 2007).

Im Bodenseegebiet wurde der Orpheusspötter erstmals 1983 nachgewiesen (Vorarlberger Rheindelta), danach bis 1998 nicht alljährlich während dem Frühjahr und Sommer (HEINE et al., Die Vögel des Bodenseegebietes, 1999).

Gemäss den “Rundbriefen für das Bodenseegebiet” Nr. 153 – 199 der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee wurde der Orpheusspötter ab 1999 im Bodenseegebiet wie folgt festgestellt (vorbehältlich der Anerkennung durch die zuständigen avifaunistischen Kommissionen, sofern nicht schon bearbeitet oder veröffentlicht):

1999 – 2 Nachweise im Juni (Radolfzeller Aachried und Moos)
2000 – 1 Nachweis im Juni bei Oberteuringen
2001 – 2 Nachweise im Mai (Rielasingen und Singen)
2002 – Einflug mit Beobachtungen an 10 Orten und Brutverdacht
2003 – 2 Nachweise im Rheindelta
2004 – 2 Nachweise im Mai/Juni (Hegau und Rheindelta, dort sogar 2 Ind.)
2005 – 17 Nachweise im Mai/Juni an 8 Orten, u. a. 2 Ind. im Rheindelta
2006 – 5 Nachweise, u. a. 3 Sänger im Rheindelta
2007 – keine Nachweise
2008 – keine Nachweise
2009 – 2 Nachweise im Rheindelta, zudem erster Nachweise im Kanton Schaffhausen (Blogartikel)
2010 – 1 Nachweis aus dem Raum Markelfingen
2011 – Bisher Nachweise vom Rheindelta, Weitenried (Steisslingen), Mindelsee, von Ravensburg-Oberzell, aus dem Hegau sowie ein 2. Nachweis im Kanton Schaffhausen.

Die dezent spürbar laufende Expansion des auf der iberischen Halbinsel, Frankreich, Italien und Nordafrika verbreitet vorkommenden Orpheusspötters in östliche Richtung scheint parallel mit der Klimaerwärmung auch zunehmend den Gelbspötter aus Mitteleuropa (wo er seine westliche Verbreitungsgrenze hat) zu verdrängen. In “Die Vögel der Schweiz” (MAUMARY et al., 2007) wird der Gelbspötter “anfangs des 20. Jahrhunderts noch als Charaktervogel der Gärten, Obstanlagen und des buschreichen Geländes” angenommen. Die Verbreitungskarte des Gelbspötters zeigt für die Schweiz eine Konzentration der Beobachtungen auf die Ostschweiz, während der Orpheusspötters bereits die West- und Südschweiz zu besiedeln begann. Auf www.ornitho.ch können die aktuellen Beobachtungen in der Schweiz für den Juni 2011 verfolgt werden (siehe nachstehende Kartenextrakte aus ornitho.ch).

Gelbspötter Schweiz Juni 2011 (Quelle: http://www.ornitho.ch)
Orpheusspötter Schweiz Juni 2011 (Quelle: http://www.ornitho.ch)

Sumpfrohrsänger Acrocephalus palustris, 11.06.2011, Vorarlberger Rheindelta/Rohrspitzgrund (Video S. Trösch). Es wird empfohlen, zur besseren Videoqualität den HD-Modus anzuwählen. [update 18.06.2011]

Sumpfrohrsänger from Stephan Trösch on Vimeo.

Videoscope vom 11.06.2011 im Vorarlberger Rheindelta

Nach einer Diskussion (u. a. im Club300 Austria) mit erfahrenen Ornithologen handelt es sich beim Vogel im Videoclip um einen Sumpfrohrsänger und NICHT Orpheusspötter, wie zunächst an dieser Stelle beschrieben.

Die nachstehende Begründung (unter Anfügung einer weiteren Aufnahme des betreffenden Vogels von Markus Tobler vom 10.06.2011 an der gleichen Stelle) stammt vom schweizer Ornithologen Paul Mosimann-Kampe:

«Es handelt sich um einen Sumpfrohrsänger und zwar aus folgenden Gründen:
Struktur: die HS-Projektion ist zu lang und insbesondere die Flügelformel ist diejenige eines langflügligen Rohrsängers und keinesfalls die eines OS. Es ragen min 6, wohl eher 7 HS-Spitzen über die Schirmfedern hinaus (bei OS 5). Das Schwanzende ist stark abgerundet (bei OS gerade). Die Unterschwanzdecken sind lang, über die Hälfte des sichtbaren Unterschwanzes. Färbung: verschiedene Details, die auf SRS und nicht auf OS passen, z.B. Andeutung eines dunklen Zügelstreifs, helle HS-Spitzen und deutlich hell gesäumte Schirmfedern, komplette Absenz von Gelb in Gesicht und Unterseite, Beinfarbe. Gesang: repetitiv mit erkennbaren Imitationen und wechselnder Geschwindigkeit, es fehlt das hetzende, quirlige Geschwätz und die nach meiner Erfahrung immer irgendwie eingeflochtenen zeternden Spatzentöne des OS.» [ergänzender Artikelbeitrag vom 18.06.2011].

Das nachstehende Foto mit Audioaufnahme war bis zum 19.06.11 auf der rechten Spalte positioniert und wird – angesichts der Bestimmungsthematik – neu hier eingefügt.

Sumpfrohrsänger, und nicht wie ursprünglich angegeben ein Orpheusspötter (Foto vom 05.06.2011, S. Trösch)

Audio vom 05.06.2011 von S. Trösch:

1 Gedanke zu „Notizen zum Vorkommen des Orpheusspötters in der Schweiz und im Bodenseegebiet“

  1. Hallo Stephan,

    super Link. Die Seite ist spitze aufgebaut mit sehr viel brauchbarer Informationen. Kompliment!
    Grüße aus Chur Michaela

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